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Little Richard

Der Rock`n Roll hat eine ganze Reihe bunter, schräger Vögel hervorgebracht. und jeder ging abseits der Gefährdungen und Verlockungen der Unterhaltungsindustrie auch ganz persönliche Risken ein. 

Little Richard war sein Künstlername, geboren wurde er als Richard Wayne Penniman 1932 in Macon, Georgia. Er wuchs mit 12 Geschwistern auf und hatte wegen seiner geringen Körpergröße den Spitznamen "Little Richard", den er später als Künstlername weiterführte. Sein Vater Bud Penniman sorgte als Klubbesitzer für das Auskommen der Familie (auch mit schwarz gebrannten Schnaps). Er wurde durch die Gospelmusik geprägt und hatte seine ersten Auftritte im kirchlichen Umfeld. Ein Auftritt mit Sister Rosetta Tharpe im Macon City Auditorium machte ihn einem größerem Publikum bekannt. Früh entdeckte er seine homosexuelle Neigung, wurde deswegen von den Geschwistern geneckt und vom Vater verachtet. Allerdings tat das seinem Selbstbewusstsein - zu mindest soweit wir es wissen - keinen  Abbruch.

Mit 14 verließ er die Highschool und schloß sich den damals grassierenden Vaudeville Shows an. Beeinflusst durch die "Blues Queens" der damaligen Zeit - die sich den wildestens Träumen ihres Publikums entsprechend kleideten und auftraten: auffälliges Make Up, schwere glänzende Kleider, Gold Ketten und Diamanten, Show-bewusst (heute würde man sagen: kitschig). Little Richard nahm diese Tradition auf und betrat die Bühne in pompöser Aufmachung (James Brown, Patti La Belle, Dolly Parton und Prince werden diese Traditon weiterführen, Elton John ebenfalls). 

In New Orleans erlernte und praktizierte er den kreolischen Bluesstil. 1953 entdeckte Johnny Otis in Houston die Gruppe um Little Richard, ihren Frontsänger, der sich als König oder Königin des Blues vermarktete und verschaffte ihnen die erste Plattenaufnahme bei Peacock Records. Nach einiger Zeit als Solo Künstler stellte Little Richard mit dem Schlagzeuger Charles "Chuck" Connor und dem Saxophonisten Wilbert "Lee Diamon" Smith den Kern seiner künftigen Liveband "The Upsetters" zusammen und verfolgte ein deutlich härteres Rhythm and Blues Programm als andere Bands seiner Zeit.

1955 - 1957 kam der Durchbruch: Speciality Records in Los Angeles nahm die ersten Songs von Little Richard auf: Tutti Frutti, Long Tall Sally, Rip it Up, Good Golly Miss Molly, Jenny Jenny and the Girl can`t help it. Die Songs wie die Auftritte waren sexuell aufgeladen, wild und ausserhalb der Normen der damaligen Aufführungspraxis. Er sang mit eine Stimme, die rauh und reibeisen-mäßig klang , wie „Sandpapier“. Die Texte unterbrach er mit Geheul, Falsettos, und Whoops. Er sang mehr perkussiv als melodisch - ähnlich seinem Pianospiel - und er war von Anfang des Auftritts an laut und blieb es die ganze Zeit der Performance über.

Er brachte den neuen Rock Beat – gradzahlige Grooves - in den Blues und Rock`n Roll und überwand damit den bis dahin dominierenden Shuffle -Rhythmus, behielt aber die Verse / Chorus Form des Blues bei. Der Sound seiner Band war dunkler und wirkte kräftiger, als die anderer Rhythm and Blues Bands. Seine Personalität war authentisch und energetisch. 

Bald war der selbst erklärte "Architekt des Rock'n'Roll" bekannt für seinen durchdringenden Sound, legte die Grundsteine für Funk und Soul. Songs wie "Tutti Frutti" und "Long Tall Sally" machten ihn in den Fünfzigerjahren zum Wegbereiter des Rock'n'Roll. Auch sein Klavierspiel und seine hoch aufragende Pompadour-Frisur waren Markenzeichen. Knapp drei Jahre lang war Little Richard auf dem Höhepunkt seiner Karriere, tourte durch die USA und feierte offen bisexuell wilde Partys. Seine Konzerte, bei denen der häufig als "Gott des Rock'n'Roll" gefeierte Musiker mit dünnem Schnurrbart, greller Schminke, falschen Wimpern und wilden Kostümen auftrat, brachten mitten in der Rassentrennung Weiße und Schwarze zusammen – zum Entsetzen radikal-konservativer Politiker und Vereine.

Doch dann war 1957 plötzlich Schluss. Bei einer Konzertreise nach Australien entschied sich Little Richard spontan, die Musik hinzuschmeißen und Priester zu werden. Seitdem lebte der schrille Künstler zwischen zwei Welten – der Kirche und der Musik. "Gott war gut zu mir", sagte er in einem Interview. "Jeden Samstag gehe ich in die Kirche, jeden Samstag, das verpasse ich nie. Und freitags eröffne ich den Sabbattag."

Immer wieder startete Little Richard aber auch Comeback-Versuche. Er tourte Anfang der 1960er Jahre mit den damals noch weitgehend unbekannten Rolling Stones durch Europa und verhalf dem jungen Jimi Hendrix zum Start seiner Karriere.

Little Richard steht in der Tradition afroamerikanischer Musik – mit einem Bein im Blues, mit dem andern im Kirchengesang , mit dem "Dritten" im damaligem Jazz / Swing / Boogie Woogie. 

Bei Little Richard kamen sich allerdings die religiösen Überzeugungen und sein ungehemmter, hedonistischer Lebensstil immer wieder in die Quere. Früh schon begann er in Kirchen der Erweckungsbewegung zu predigen. Und 1958 absolvierte er eine mehrjährige Ausbildung zum Priester. Damals distanzierte er sich, vorübergehend, vom säkularen Rock’n’Roll, um sich wieder vermehrt der Gospelmusik zuzuwenden.

Und obwohl er den Soul und den Funk in seiner Musik vorbereitet hatte, war ihm kein Erfolg beschieden, als er sich später auf die damals modischen Genres einlassen wollte. 1977, als überall nur noch Discomusik lief, zog er sich dann ein zweites Mal aus dem Musikgeschäft zurück, diesmal bis Mitte der achtziger Jahre. Mit seiner Skepsis gegenüber der weltlichen Musik blieb Little Richard nicht allein. Seinem Beispiel folgte damals etwa auch der Soulsänger Al Green – auch dieser kehrte der Pop-Musik den Rücken, wurde Priester und sang wieder traditionelle Gospel-Hymnen.

Die Schallplattenaufnahmen von Little Richard vermögen bloss einen um das Live-Erlebnis zensierten Eindruck davon zu vermitteln, was der Rock’n’Roll-Pionier auf der Konzertbühne darbot in einer Zeit, die in jeder Hinsicht hoffnungslos überfordert sein musste mit dieser Unperson: einem grell geschminkten, offenbar übergeschnappten Schwarzen mit einer durchdringenden Stimme wie eine Alarmsirene.

Doch das Verrückteste dabei war, dass Little Richard tatsächlich auch Erfolg hatte. Warum? Weil er einfach zu gut, nein zu brillant war, um übersehen, um überhört zu werden. Er pflasterte den Weg für James Brown und für Prince und für zahllose weitere afroamerikanische Musiker. Aber auch einen David Bowie hat er inspiriert, Elvis hat ihn gecovert, die Rolling Stones oder Paul McCartney erklärten sich zu seinen Fans, ja selbst Bob Dylan zählt ihn zu seinen Idolen.

Der Autor John Waters, der 1987 für den «Playboy» ein Interview mit der Rock’n’Roll-Grösse führte, schwärmte von dem Enthüllungsbuch «The Life and Times of Little Richard» in den höchsten Tönen. Und Jimi Hendrix, der für kurze Zeit in seiner Band gespielt hatte, sagte: «Ich wollte mit meiner Gitarre tun, was Little Richard mit seiner Stimme anstellte.»

Am Samstag dem 9. Mai 2020 hat das Musikmagazin «Rolling Stone» den Tod von Little Richard vermeldet. 

 

Bernd Falke für den "Bluesverstärker"